23.02.2001 -

Bericht vom Termin am EuGH bzgl. Anwendbarkeit des HTWG (nach 1991)

- Info via SVD -
Herr RA Bornemann - von Loeben hat folgenden Bericht verfaßt zur gestrigen EuGH-Verhandlung in Luxemburg.

Besten Dank für die prompte Berichterstattung!
Mit freundlichem Gruß
L.B. Werner
(Stv. Vors. des SVD)

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Anwendbarkeit des Haustürwiderrufsgesetzes

Rechtsanwalt Bornemann-von Loeben aus der Kanzlei Bornemann-von Loeben, Witt und Nittel hat am 22.02.2001, mit einigen Mitarbeitern und Mandanten an der Verhandlung vor dem Europäischen Gerichtshof in einem Verfahren Heininger / HypoVereinsbank teilgenommen. Es ging um die Frage, ob auf Kreditverträge, die in einer Haustürsituation nach dem 01.01.1991, also ab Inkrafttreten des Verbraucherkreditgesetzes abgeschlossen worden sind, das Haustürwiderrufsgesetz (vom 01.05.1986) anwendbar ist.

Zur Erinnerung:
Das Verfahren gelangte deswegen zum EuGH, weil sowohl das deutsche Verbraucherkreditgesetz als auch das deutsche Haustürwiderrufsgesetz auf europäische Richtlinien zurückzuführen sind. Jedes Gericht eines Mitgliedstaates der EU kann dem EuGH Fragen im Zusammenhang mit der Auslegung von europäischen Richtlinien vorlegen, und das hat vorliegend der BGH getan. Der BGH hat dem Europäischen Gerichtshof zwei Fragen gestellt, die ich hier verkürzt wiedergebe:

  1. Ist das Haustürwiderrufsgesetz auf Kredite zur Finanzierung von Grundstückskäufen überhaupt anwendbar?
  2. Wenn ja, ist der deutsche Gesetzgeber gehindert, im Verbraucherkreditgesetz eine Begrenzung des Widerrufsrechtes auf ein Jahr zu normieren und kann der BGH diese Frist von einem Jahr in analoger Anwendung auch auf Kreditverträge vor dem 1.1.1991 anwenden?

Nach dem Haustürwiderrufsgesetz können Verträge, die in einer Haustürsituation entstanden sind, bis einen Monat nach beiderseitiger vollständiger Erbringung der Leistung widerrufen werden, wenn dem Verbraucher keine Widerrufsbelehrung erteilt wird. Dies wäre vorliegend bis einen Monat nach Ablauf des Kreditvertrages. In den meisten Fällen wäre also ein Widerruf noch möglich, weil insbesondere die HypoVereinsbank keine Widerrufsbelehrungen erteilt hat und die meisten unserer Mandanten noch Kreditschuldner sind.

Es gilt das sogenannte Günstigkeitsprinzip, das bedeutet, dass der nationale deutsche Gesetzgeber mit einem Gesetz (dem Verbraucherkreditgesetz und der Begrenzung des Widerrufsrechts auf ein Jahr) nicht in eine andere Richtlinie eingreifen und diese für den Verbraucher nachteilig abändern kann. Hier liegt die Verschlechterung darin, dass das Widerrufsrecht, das nach dem Haustürwiderrufsgesetz 20 Jahre und länger läuft, auf ein Jahr verkürzt wird.

Man muss an dieser Stelle zum Verfahren vor dem EuGH folgendes anmerken:
Das Gericht besteht aus 5 Richtern, es handelte sich heute um 4 Männer und eine Frau. Ferner nimmt an der Verhandlung ein Generalanwalt teil, dessen Funktion ist aber nicht ganz klar geworden. Vor dem Gericht treten auf: ein Klägervertreter, es handelt sich hierbei um einen deutschen Anwalt, den Beklagtenvertreter, ebenfalls ein deutscher Anwalt. Ferner nehmen an der Verhandlung Vertreter verschiedener Regierungen teil, sofern diese sich an dem Verfahren beteiligen wollten. Die Klageschrift wurde vor der mündlichen Verhandlung allen EG-Regierungen zugeleitet. Schriftliche Eingaben haben gemacht die Bundesrepublik Deutschland, Österreich, Spanien und Italien. Ferner hat sich die Europäische Kommission selbst zu dieser Frage geäußert.

In der mündlichen Verhandlung waren vertreten ein Rechtsanwalt der spanischen Regierung, ein Rechtsanwalt der italienischen Regierung sowie ein Rechtsanwalt der EU-Kommission. Das Verfahren wurde sodann durch ein Plädoyer des Kreditnehmervertreters eröffnet, der, wie wir fanden, überzeugt die für uns günstige Rechtsposition dargestellt hat. Es erwiderte daraufhin der Rechtsanwalt der HypoVereinsbank, der zunächst abschweifende Ausführungen machte und im wesentlichen erklärte, dass die Bank für die Haustürsituation nichts könne.

Nach einigen Minuten wurde er vom vorsitzenden Richter unterbrochen, der erklärte, dass wenn hier keine Haustürsituation vorliegen würde, der BGH das Verfahren nicht dem EuGH vorgelegt hätte. Man müsse also von einer Haustürsituation ausgehen. Von einer Haustürsituation sind übrigens alle anderen anwesenden Prozessvertreter selbstverständlich ausgegangen. Die HypoVereinsbank hat dann im wesentlichen folgende Argumentation vortragen lassen:

  1. Durch das Haustürwiderrufsgesetz soll ein Verbraucher geschützt werden, verbrauchen bedeutet aber irgendein Wirtschaftsgut unmittelbar zu nutzen. Ein Grundstück würde aber nicht verbraucht, es stelle eine Investition in die Zukunft dar und würde daher vom Wortlaut bereits nicht unter das Haustürwiderrufsgesetz fallen.
  2. Das Haustürwiderrufsgesetz wäre auf Kredite zur Finanzierung von Grundstücken nicht anwendbar. Die Kreditnehmer würden auch nicht überrumpelt, weil sie ja alle zunächst zu einem Notar gehen müssten.
  3. Es wäre nach mehreren Jahren, in jedem Fall nach mehr als einem Jahr das Widerrufsrecht verwirkt. Jeder der überrumpelt wäre, würde dies nach wenigen Wochen feststellen und hätte dann nach der deutschen Regelung sogar ein volles Jahr Zeit, um den Widerruf noch auszuüben.

Anschließend haben der Vertreter der spanischen Regierung und der italienischen Regierung im wesentlichen erläutert, dass nach Auffassung ihrer Regierung das Haustürwiderrufsgesetz auf Grundstückskreditverträge nicht anwendbar sein soll. Abschließend hat der Vertreter der Europäischen Kommission, nach unserem Dafürhalten, den besten Vortrag gehalten. Er hat darauf hingewiesen, dass die Europäische Kommission im Jahre 1985 eine zeitliche Befristung des Widerrufsrechtes nicht im Sinne hatte. Man ist davon ausgegangen, dass bei Erteilung einer Widerrufsbelehrung der Widerruf innerhalb einer Woche ausgeübt werden soll und damit Rechtssicherheit eintreten wird. Wenn eine Widerrufsbelehrung nicht erteilt wird, läuft das Widerrufsrecht bis einen Monat nach Vertragsende. Das kann bei einem Kaufvertrag eine schnelle und bei einem Kreditvertrag eben eine lange Zeit sein.

Er habe noch einmal die gesamte Literatur durchgesehen und eine irgendwie geahndete zeitliche Befristung des Widerrufsrechtes sei nicht vorgesehen gewesen. Es sollte eben gerade ein Risiko einer Vertragspartei sein, eine andere Vertragspartei in der Wohnungssituation zu überraschen, um dann mit dem Risiko zu leben, dass die Verträge, auch lange Zeit, widerrufen werden könnten.

Der Vertreter der EG-Kommission hat ferner erklärt, dass die Bank ja jederzeit selbst den Kreditnehmern eine Widerrufsbelehrung zuschicken könne. Wenn eine Bank also das Risiko nicht tragen wolle, dass man ihre Kreditverträge über Jahre hinweg widerrufen kann, nachdem sie zuvor in der Haustürsituation abgeschlossen wurden, könnte sie den Kreditnehmern ja eine Widerrufsbelehrung zusenden. Schließlich führte der Vertreter der EG-Kommission noch aus, dass es nicht anginge, dass derjenige, der die Haustürsituation ausnutzt, durch bloßen Zeitablauf belohnt werden soll. Die EG-Kommission habe 1985 gerade darauf Wert gelegt, dass die Verbraucher über ihr Widerrufsrecht informiert werden, weil man gerade erreichen wollte, dass die Verbraucher in Ruhe überlegen können. Wenn ein Verbraucher jedoch ein Widerrufsrecht gar nicht erläutert bekommt, dann kann er sich auch darüber keine Gedanken machen. Und genau das ist der Kernpunkt des Problems, hätten die Geschädigten nämlich von ihrem Widerrufsrecht Kenntnis gehabt, hätten sie schon früher einen Widerruf erklärt.

Es ist schließlich vom Gericht noch die Frage diskutiert worden, ob vorliegend nicht wegen des langen Zeitablaufes von bis zu 5 Jahren oder sogar mehr Jahren eine Verwirkung des Widerrufsrechtes eintreten würde. Hier sehe ich die größte Gefahr, dass man eben nach einer längeren Zeit ein Widerrufsrecht als verloren / verwirkt betrachten will, weil es der Kreditwirtschaft eben nicht zumutbar sein könnte, dass sie nach langen Jahren plötzlich mit Widerrufen konfrontiert wird.

Schließlich sagte der Rechtsanwalt der HypoVereinsbank in einem Schlusswort, dass die Bank eben nicht erkennen konnte, dass eine Widerrufserklärung notwendig sei, weil die Bank eben davon ausgegangen wäre, dass das Haustürwiderrufsgesetz auf vorliegende Fälle nicht anwendbar sei.

Die sogenannten Schlussanträge können am 07.06.2001 gestellt werden. Ein Urteil wird voraussichtlich erst im Juli oder August gesprochen werden.

Bornemann - von Loeben
Rechtsanwalt