* 21.12.2000

Auf der Suche nach dem richtigen Analysten ist Vorsicht angesagt

- Info via SVD -.

Folgende dpa-Pressemeldung haben wir heute erhalten:



Auf der Suche nach dem richtigen Analysten ist Vorsicht angesagt

Von Antje Kasper, dpa-AFX =

Frankfurt/Main (dpa) - Mancher Kleinanleger, der in diesem Jahr den selbst ernannten "Propheten" der Börse vertraute, hat viel Geld verloren. Oft kam die Einsicht zu spät, dass Aktien keine Lizenz zum Gelddrucken sind. Da kommt Wut auf jene Leute auf, die sich wie kaum ein anderer Berufsstand mit den Märkten beschäftigen: Die Analysten. Eine Berufsbezeichnung, die nicht geschützt ist, wie ein Sprecher der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) erläutert.

"Der Markttrend ist, dass immer mehr unerfahrene Analysten in die Verantwortung kommen", sagt Michael Drepper, Mitglied der Research- Abteilung bei der Consors Direktbank. Es gebe keine Regeln, wann ein Berufseinsteiger eine Aktienempfehlung eigenverantwortlich geben dürfe: "Das ist von Bankhaus zu Bankhaus unterschiedlich - bei den einen ist es ein Monat, bei den anderen ein ganzes Jahr." Oft seien allerdings Analysen eine Frage der Fleißarbeit und der Datenbank- Recherche, denn eine Analyse ist nicht allein ein
Aktienempfehlung. Vielmehr würde der Analyst neben der Börsenaussage und der Aktieneinstufung auch das Marktumfeld erklären und das Unternehmen
beschreiben.

Die Güte der Studien soll dadurch garantiert werden, dass fast alle Analysten nach den Regeln der DVFA zertifiziert werden. Mehr als 1 200 Mitglieder gehören dem Verband an. Eine öffentliche Erfolgskontrolle bietet die DVFA in Dreieich in Frankfurt aber nicht. Die Analystenempfehlungen seien jedoch unabhängig, müssten ethisch einwandfrei und immer im Interesse des Anlegers gemacht werden. Wer sich daran nicht hält, kann zu Geldstrafen und im schlimmsten Fall zum Ausschluss verurteilt werden. Viele der Banken, die dem Verband angehören, fördern die DVFA finanziell.

Aber auch den Analysten kann es nicht egal sein, ob sie mit ihren Empfehlungen richtig liegen oder nicht. Sie werden nach der Treffsicherheit ihrer Studien in einer Rangliste erfasst, die auch ihr Gehalt bestimmt. "Ein Analyst, der falsche Einschätzungen gibt, kann sich auf dem Markt gar nicht halten", sagt ein Finanzexperte über sich selbst und seine Kollegen.

Ohne die Empfehlungen der in letzter Zeit viel gescholtenen Börsengurus würden viele Anleger sich im Dschungel der vielen Aktien gar nicht zurechtfinden. "In einer Kaufsituation wünschen sich Anleger Hilfestellung, weil sie aus sehr vielen Möglichkeiten auswählen können und dadurch selbst sehr unsicher sind", sagt Wolfgang Gerke von der Universität Erlangen. "Das ist die Stunde der Analysten - sie sind dann Leitfiguren, die Sicherheit geben." Wolle der Anleger seine Aktien verkaufen, verlasse er sich dagegen oft mehr auf seine eigene Einschätzung.

Aber auch für den Analysten sei es leichter, eine Kaufempfehlung zu geben, denn "dafür bezieht er weniger Prügel - insbesondere von den betroffenen Unternehmen." Beim Verkauf werde er viel eher "zur Rede gestellt". Außerdem müsse man zwischen den Analysten differenzieren: Wer für seine Kunden - zum
Beispiel große institutionelle Anleger - arbeite, mache umfangreichere Recherchen als für den Kleinanleger.

Nach Ansicht einiger Analysten sind weniger ihre Empfehlungen als vielmehr die Unerfahrenheit der Anleger ein Hauptgrund für viele Fehlinvestitionen. "Viele Anleger haben Aktien gekauft, ohne zu wissen, was Aktien überhaupt sind. Viele konnten nicht mal den Namen des Unternehmens aussprechen, von dem sie Aktien gekauft haben", sagt ein Frankfurter Analyst. Die neuen Aktienbesitzer steckten Geld in eine Firma, von der sie oft nicht wussten, womit diese ihr Geld verdient - oder aber verliert.

"Die Anleger sind einfach gierig geworden. Renditen von zehn Prozent waren Ihnen zu wenig". Dabei hätte jedem klar sein müssen, der sich ein bisschen mit dem Marktgeschehen auskennt, dass die Entwicklung nicht ewig so weitergehen konnte, sagt der Analyst. Allerdings, räumt er ein, "haben sich die Empfehlungen gerade am Neuen Markt verändert. Da haben auch wir uns selbst korrigieren müssen."

©dpa

21 Dez 00
17:20 Uhr



Man beachte die Parallelitäten zwischen den hier erörterten Mechanismen und dem Ausgeliefertsein gegenüber dem Finanzberater in unseren Standardfällen, der auch "Analysen" erstellte und damit sein Überredungskunstwerk zu bauen begann. Wieder einmal ist pauschal von der "Gier der Anleger" die Rede, wie es selbst Opoczinski in der letzten WISO-Sendung am 18.12. im Zusammenhang mit abgezockten Kleinanlegern kommentiert hatte. Das ist nicht gerade rühmlich fürs ZDF und läßt Differenziertheit vermissen; ich habe einen entsprechenden Kommentar per email dorthin gesandt.

Mit freundlichem Gruß
L.B. Werner
(Stv. Vors. des SVD)